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Das Lied des Lammes
Passionsoratorium von
Johann Mattheson (1681 - 1764)

Sonatina
Choral
Christus, der uns selig macht,
kein bös hat begangen,
Der ward, für uns, in der Nacht,
Als ein Dieb gefangen.
Geführt für gottlose Leut'
Und fälschlich verklaget.
Verlacht, verhöhnt und verspeit,
Wie denn die Schrift saget.

Evangelist
Da nahm Pilatus Jesum,
und geisselt' ihn.

Aria (Sopran)
Unsre Bosheit, ohne Zahl,
Fühlt der Heiland, der Gerechte,
Mehr als selbst der frechen Knechte
Peitschenstreich und Geisselqual.
Klag' O Mensch! weil du's verschuldet,
Dass Gott selbst die Geissel duldet.

Evangelist
Und die Kriegsknechte flochten
eine Krone von Dornen,
und setzten sie auf sein Haupt und sprachen:

Chor
Sei gegrüßet, lieber Judenkönig!

Evangelist
Und gaben ihm Backenstreiche.
Da ging Pilatus wieder heraus,
und sprach zu ihnen:

Pilatus
Sehet, ich führe ihn heraus zu euch,
daß ihr erkennet,
daß ich keine Schuld an ihm finde.
Also ging Jesus heraus,
und trug eine Dornenkrone
und Purpurkleid.

Aria (Baß)
Schauet, mein Jesus ist Rosen zu gleichen,
Welche den Purpur mit Dornen umhüllen;
Seine Holdseligkeit trotzt den Sträuchen
welche die Felder um Jericho fülln.
Sollen denn heilen die Wunden der Sünden,
müssen uns einzig die Blätter verbinden.

Evangelist
Und er spricht zu ihnen:
Sehet, welch ein Mensch!
Da ihn die Hohenpriester und Diener sahen
schrieen sie und sprachen:

Chor
Kreuzige, kreuzige.

Evangelist
Pilatus spricht zu ihnen:

Pilatus
Nehmet ihr ihn hin,
und kreuziget ihn,
denn ich finde keine Schuld an ihm.

Evangelist
Die Juden antworteten ihm:

Chor
Wir haben ein Gesetze,
und nach dem Gesetz soll er sterben,
denn er hat sich selbst zum Gottessohn gemacht.

Evangelist
Da Pilatus das Wort höret,
fürchtet er sich noch mehr,
und ging wieder hinein in das Richthaus,
und spricht zu Jesu:

Pilatus
Von wannen bist du?

Evangelist
Aber Jesus gab ihm keine Antwort.
Da spricht Pilatus zu ihm:

Pilatus
Redest du nicht mit mir?
Weisst du nicht, daß ich Macht habe
dich zu kreuzigen,
und Macht habe dich los zu lassen?

Evangelist
Jesus antwortet:

Jesus
Du hättest keine Macht über mich,
wenn sie dir nicht wäre von oben herab gegeben.
Darum, der mich dir überantwortet hat,
der hat größere Sünde.

Evangelist
Von dem an trachtet Pilatus,
wie er ihn los ließe.

Duetto
Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn,
Muss uns die Freiheit kommen.

Dein Kerker ist der Gnadenthron.
Die Freistatt aller Frommen.

Denn gingst du nicht die Knechtschaft ein,
Müßt unsre Knechtschaft ewig sein.

Evangelist
Die Juden aber schrien und sprachen:

Chor
Lässest du diesen los,
so bist du des Kaisers Freund nicht.
Denn wer sich zum Könige machet,
der ist wider den Kaiser.

Evangelist
Da Pilatus das Wort höret,
führet er Jesum heraus,
und setzte sich auf den Richtstuhl,
an der Stätte, die da heisset Hochpflaster,
auf Hebräisch aber Gabbatha.
Es war aber der Rüsttag in Ostern,
um die sechste Stunde,
und er spricht zu den Juden:

Pilatus
Sehet, das ist euer König.

Evangelist
Sie schrien aber:

Chor
Kreuzige ihn,
weg, weg, mit dem,
kreuzige ihn.

Aria (Baß)
Erschüttere mit Krachen,
Sperr auf den Flammen Rachen,
O Abgrund! auf dies Wort.
Bedenke doch, O Sünderorden
Daß du den willst am Kreuz' ermorden.
Der dich befreit von Satans Mord.

Evangelist
Spricht Pilatus zu ihnen:

Pilatus
Soll ich euren König kreuzigen?

Evangelist
Die Hohenpriester antworteten:

Chor
Wir haben keinen König, denn den Kaiser.

Evangelist
Da überantwortet er ihn,
daß er gekreuziget würde.
Sie nahmen aber Jesum, und führten ihn hin.
Und er trug sein Kreuz, und ging heraus zu der Stätte, die da heisset Schädelstätt,
auf Hebräisch Golgotha
All da kreuzigten sie ihn,
und mit ihm zweien andere
zu beiden Seiten;
Jesum aber mitten inne.

Arietta (Sopran)
Getrost , mein Herz, getrost, mein Herz,
hier kannst du Gnad' umfassen:
Denn Jesus will die Sünder nicht verlassen,
Und sollt' es auch am Kreuze sein.
Getrost mein Herz, getrost, mein Herz,
Wenn du denn nicht die Hilfe kannst erfragen,
So warte nur, warte nur:
wenn dich das Kreuz wird tragen,
Stellt er sich in der Mitten ein.

Evangelist
Pilatus aber schrieb eine Überschrift,
und setzte sie auf das Kreuz.
Und war geschrieben:
Jesu von Nazareth, der Juden König.
Diese Überschrift lasen viel Juden,
denn die Stätte war nahe bei der Stadt,
da Jesus gekreuziget ist.
Und es war geschrieben auf hebräische,
griechische und lateinische Sprache.
Da sprachen die Hohenpriester
der Juden zu Pilato:

Chor
Schreib nicht der Juden König;
sondern daß er gesagt habe,
ich bin der Juden König.

Evangelist
Pilatus antwortet:

Pilatus
Was ich geschrieben habe,
das habe ich geschrieben.

Evangelist
Die Kriegesknechte aber,
da sie Jesum gekreuzigt hatten,
nahmen sie seine Kleider, und machten vier Teil', einem jeglichen Kriegesknechte ein Teil,
dazu auch den Rock.

Aria (Tenor)
Du musst den Rock verliern,
Daß wir ihn möchten führn,
Zum Deckel unsrer Sündenschuld.
Wir müssen ewig Blösse leiden;
Wird uns nicht dein Verdienst bekleiden,
Mit mehr als väterlicher Huld.

Evangelist
Der Rock aber war ungenähet,
von oben an gewirket, durch und durch.
Da sprachen sie untereinander:

Chor
Lasset uns den nicht zerteilen;
sondern darum losen, wes er sein soll.


Evangelist
Auf dass erfüllet würde die Schrift, die da saget:
Sie haben meine Kleider unter sich geteilet,
und haben über meinen Rock das Los geworfen.
Solches taten die Kriegesknechte.

Chor
Welche sind des Heilands Erben?
Lauter böse Kriegesknecht.
Musst' er denn nur dafür sterben?
Nein, dem menschlichen Geschlecht,
Das so bösen Buben gleichet
Hat er sich selbst,
zur Erbschaft, hingereichet.

Zweiter Teil

Chor
Es dient zu meinen Freuden,
und kommt mir herzlich wohl,
Wenn ich, in deinem Leiden,
Mein Heil, mich finden soll.
Ach möcht ich, O mein Leben!
An deinem Kreuze hier,
Mein Leben von mir geben,
Wie wohl geschähe mir.

Evangelist
Es stund aber bei dem Kreuz Jesu Mutter,
und seiner Mutter Schwester, Maria,
Cleophas Weib, und Maria Magdalena.
Da nun Jesus seine Mutter sahe,
und den Jünger dabei stehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter:

Jesus
Weib, siehe, das ist dein Sohn.

Evangelist
Danach spricht er zu dem Jünger:

Jesus
Siehe, das ist deine Mutter.

Evangelist
Und von Stund an nahm sie den Jünger zu sich.
Danach, als Jesus wußte,
daß schon alles vollbracht war,
daß die Schrift erfüllet würde, spricht er:

Jesus
Mich dürstet.

Aria (Sopran)
Jesu, Jesu, wonach dürstet dich?
Da du ja die Matten tränkest.
Himmel! ich besinne mich,
Dass du meiner Angst gedenkest,
Und nach Trost, in meiner Not,
Durstig bist, bis an den Tod.

Evangelist
Da stand ein Gefäße voll Essig.
Sie aber fülleten einen Schwamm mit Essig,
und legten ihn um einen Ysopen,
und hielten es ihm dar zum Munde.
Da nun Jesus den Essig genommen hatte,
sprach er:

Jesus
Es ist vollbracht.

Aria (Baß)
O grosses Werk!
Im Paradies schon angefangen,
O Riesenstärk!
Die Christum lässt den Sieg erlangen.
Dass nach dem Streit, in Siegespracht,
Er sprechen kann: Es ist vollbracht.

Evangelist
Und neigte das Haupt, und verschied.

Aria (Baß)
Bebet ihr Berge!
Zerberstet, ihr Hügel!
Sonne! verhülle den brennenden Spiegel,
Himmel und Erde, vergehet ihr nicht?
Schmelzet ihr Felsen
Vor ängstigem Zittern,
lasset ihr Wellen
Die Tiefen erschüttern.
Weil jetzt dein Heiland das Herze zerbricht.

Evangelist
Die Juden aber, der weil es der Rüsttag war,
dass nicht die Leichnam' am Kreuze blieben,
(denn derselbige Sabbaths-Tag war gross)
baten sie Pilatum,
dass ihnen die Beine gebrochen,
und sie abgenommen würden.
Da kamen die Kriegesknechte,
und brachen dem ersten die Beine,
und dem andern, der mit ihm gekreuzigt war,
Als sie aber zu Jesu kamen,
da sie sahen, dass er schon gestorben war,
brachen sie ihm die Beine nicht;
Sondern der Kriegesknechte einer
öffnete seine Seiten mit einem Speer,
und alsbald ging Blut und Wasser heraus.

Duetto (Sopran, Tenor)
War das Wasser denn zu schlecht,
Unsre Sündenschuld zu baden ?
Menschen, ja, es war zu schlecht,
ja, für deinen Schaden
war nur göttlichs Blut gerecht.
So solln, weil ich leb' auf Erden,
Zu beweinen meine Not,
Aus den Augen Quellen werden;
Die von Blut und Tränen rot.

Evangelist
Und der das gesehen hat,
der hat es bezeuget und sein Zeugnis ist wahr.
Und derselbige weiss, dass er die Wahrheit saget,
auf dass auch ihr glaubet.
Denn solches ist geschehen,
dass die Schrift erfüllet würde:
Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen.
Und abermal spricht eine andere Schrift:
Sie werden sehen,
in welchen sie gestochen haben.
Danach bat Pilatum Joseph von Arimathia,
(der ein Jünger Jesu war,
doch heimlich, aus Furcht vor den Juden)
dass er möchte abnehmen den Leichnam Jesu.
Und Pilatus erlaubte es.
Es kam aber auch Nicodemus,
(der vormals bei der Nacht zu Jesu kommen war)
und brachte Myrrhen und Aloen untereinander,
bei hundert Pfunden.
Da nahmen sie den Leichnam Jesu,
und banden ihn in leinen' Tüchern,
mit Spezereien,
wie die Juden pflegen zu begraben.

Duetto (Sopran, Baß)
Ich gehe mit ins Grab!
Was frag' ich nach dem Himmel?
Nach allem Weltgetümmel?
Weil Jesus scheidet ab.

Evangelist
Es war aber an der Stätte, da er gekreuzigt ward,
ein Garten und in dem Garten ein neu' Grab,
in welches niemand je geleget war.
Daselbst hin legten sie Jesum,
um des Rüsttags willen der Juden,
dieweil das Grab nahe war.

Schlußchor
Schlafe wohl nach deinem Leiden,
Ruhe, sanft nach hartem Streit,
Weil dein Tod uns Himmelsfreuden,
Weil dein Kampf uns Sieb gereit'.

Choral
Ach, Jesu, dessen Schmerzen
mir all mein Heil erworben.
Komm, ruh in meinem Herzen,
Das in der Sünd' erstorben.
Lass dir's gefallen, ich will dir
Dein Grab bereiten, in mir hier.
So leb und sterb ich selig.

Daß Johann Matthesons Musik im heutigen Kon-zertleben so gut wie keine Rolle spielt, hat seinen Grund in der Tatsache, daß der allergrößte Teil seiner Werke in der Stadtbibliothek Hamburg ver-wahrt wurde und dort der Bombardierung durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg zum Opfer fie-len. Einzig dem Umstand, daß der Musikwissen-schaftler Beekman C. Cannon 1938 eine photo-graphische Kopie des Passionsoratoriums "Das Lied des Lammes" anfertigte, ist es zu verdanken, daß wir dies Werk heute aufführen können.
Sehr viel weiter verbreitet als seine Musik waren Matthesons musiktheoretische Werke. Sie wurden zum Teil in mehreren Auflagen gedruckt und wa-ren in ganz Deutschland, ja europaweit bekannt. Sie umfassen Themenbereiche der Aufführungs-praxis, der Musiktheorie und der Ästhetik und zei-gen Mattheson als einen vielseitig gebildeten und interessierten Musiker.
Seine Ausbildung genoß er im wesentlichen in Hamburg: als Schüler des Johanneums, bei den Musikern Johann Nicolaus Hanff und Johann Heinrich Praetorius und als Sänger an der Ham-burger Oper. Bereits als 20jähriger sang er Hauptrollen in den damals neuen italienischen Opern und wirkte gleichzeitig als Dirigent und Komponist. 1703 beginnt eine lange Freundschaft mit Georg Friedrich Händel: Mattheson berichtet, Händel habe ihm "einige besondere Contrapunct-Griffe" gezeigt, er dagegen habe Händel im "dra-matischen Stiyl" der italienischen Oper unterrich-tet. Im gleichen Jahr fuhren beide nach Lübeck, um sich für das Amt des Organisten an der Ma-rienkirche als Nachfolger Buxtehudes zu bewerben - beide lehnten jedoch ab, weil mit dem Posten die Heirat von Buxtehudes Tochter verbunden war. Bereits 1705 mußte er seine Karriere als Opern-sänger aufgeben, weil sich erste Gehörbeschwer-den bemerkbar machten, die später (etwa 1735) zur völligen Taubheit führten. Mit der Berufung zum Sekretär des englischen Gesandten in Ham-burg 1706 begann er eine zweite Laufbahn, die ihn 1744 zum Legationsrat des Herzogs von Hol-stein führte.
Die produktivste Zeit des Komponisten Mattheson waren zweifellos die Jahre zwischen 1715 und 1728, in der er das Directorium musicum an der Hamburger Domkirche innehatte. Zu seinen Auf-gaben gehörte, zu den Hauptfesten des Kirchen-jahres Musik zu schreiben. Mattheson verzeichnet für diese Zeit 24 Oratorien, daneben ein Dutzend große Serenaden und Kantaten für Hochzeiten, Beerdigungen und Feierlichkeiten.


"Das Lied des Lammes" ist das dritte und letzte Pas-sionsoratorium Matthesons. Komponiert und auf-geführt wurde es 1723, vermutlich am Palmsonn-tag. Es basiert auf einem Text des Hamburger Poeten Christian Postel. Diesen Text hatte bereits 19 Jahre früher Händel als Libretto für sein frühes-tes Oratorium gewählt. Postel benutzt als biblische Grundlage die Passionserzählung des Johannes-evangeliums und ergänzt sie um betrachtende A-rien sowie Chöre und Choräle. In der Geschichte der Passionsvertonungen stellt dies Libretto einen wichtigen Wendepunkt dar, war doch bis zur Wende zum 18. Jahrhundert das Singen der Lei-densgeschichte Jesu im protestantischen Gottes-dienst in Form der Vertonung des reinen Bibelwor-tes ohne poetische Zutaten die Regel gewesen. Erst am Ende des 17. Jahrhunderts entwickelt sich unter dem Einfluß des Pietismus die oratorische oder poetische Passion: Durch Hinzufügung von poetischen Texten sollte die Leidensgeschichte für den einzelnen Zuhörer emotional stärker erfahrbar werden, die affekthaft persönliche Frömmigkeit rückt in den Vordergrund, Rührung und Betroffen-heit des christlichen Publikums inbegriffen.
Musikalisch steht Mattheson auf der Schwelle zwi-schen kirchenmusikalischer, polyphoner Tradition und dem modernen Einfluß der italienischen O-per. Im "Lied des Lammes" entscheidet er sich nicht für eine der beiden Gattungen, sondern bedient sich der unterschiedlichen musikalischen Stilrich-tungen, um die verschiedenen Ebenen des Libret-tos dramaturgisch geschickt voneinander zu tren-nen: Choralsätze und Turba-Chöre gehören dem Typus des klassischen Kontrapunkts an, alle Arien sowie der Schlußchor des ersten Teils bedienen sich des galanten, empfindsamen Stils der italieni-schen Oper. Der alte Lektionston ist in den Rezita-tiven des Evangelisten durch eine freie Melodik ersetzt - auch eine Neuerung in der Passionsmusik um die Wende zum 18. Jahrhundert.
Von Matthesons Musik geht eine klare Linie weiter über die Oratorien Telemanns, Grauns, Carl Phi-lipp Emanuel Bachs bis zu Haydns "Schöpfung" und "Jahreszeiten". Eine Entwicklung im übrigen, die nicht nur stilistisch den gottesdienstlichen Rah-men verläßt: Bereits 1705 war es in Hamburg zu einer Aufführung des Passionsoratoriums "Der blu-tige und sterbende Heiland" von Reinhard Keiser auf einer Schaubühne im Kirchenraum gekommen - damals noch unter Protest der kirchlichen Be-hörden. Der Autor hatte gemeint (so im Vorwort), "dieses Leiden [Jesu] bey dieser heiligen Zeit nachdrücklicher vorzustellen, wenn man es durch-aus in Versen und ohne Evangelisten gleich wie die Italiänische sogenannte Oratorien abfaßte."
Diese neue musikalische Struktur mit Rezitativen, Arien und Chören läßt nun auch äußerlich nicht mehr unterscheiden zwischen Oper und Orato-rien. Einige Leipziger Gemeindemitglieder faßten denn auch Bachs Matthäuspassion gar als "Ope-ra-Comödie" auf. 1715 wirft Mattheson eine der wichtigsten aufführungspraktischen Einschränkun-gen  über Bord: Er läßt Frauenstimmen bei seinen Oratorien im Hamburger Dom auftreten, skanda-lös für die Zeitgenossen, von Mattheson bissig kommentiert: "Ich bin wol der erste, der bey or-dentlichen grossen Kirchen-Musiken vor und nach der Predigt 3 bis 4 Sängerinnen aufgestellet hat; aber mit welcher Mühe, Verdrießlichkeit und Wie-der-Rede, das ist nicht zu beschreiben. Im Anfang ließ man ersuchen: Ich mögte doch ja kein Frau-enzimmer auf das Chor bringen; am Ende kunnte man nicht genug davon haben. [...]O schwacher Eigensinn äußerlicher Heiligkeit!" (Große Gene-ralbaßschule, 42)
Mattheson erscheint damit als einer der führenden musikalischen Neuerer im 18. Jahrhundert. Er be-gründet in Hamburg eine Musiktradition, die durch seine Nachfolger im Amt, Georg Philipp Te-lemann und Carl Philipp Emanuel Bach, mit glei-chem Impetus weitergeführt wird und die Stadt zu einem Zentrum der bürgerlichen Musikkultur macht.
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