Josef G. Rheinberger • op. 164 Libretto Fanny von Hoffnaaß Der Stern von Bethlehem Erwartung (Chor) Die Erde schweigt, es leuchten die Sterne, sie grüßen klar aus himmlischer Ferne. Geheimnisvoll durch Palmen es rauschet, in sehnender Wacht die Erde lauschet. Über Strom und Meer, über Tal und Höhen mit ahnendem Zug die Lüfte wehen. Ob auch verblüht die Blümlein liegen, es möchte ihr Duft die Starre besiegen. Unsichtbar schwebt durch die nächtliche Stunde nach so banger Zeit lichttröstende Kunde! Von oben kommt‘s wie tauender Regen, tu‘, Erde, dich auf dem himmlischen Segen. 2. Die Hirten (Sopran & Chor) O segne die Weide, Schöpfer der Welt, du bist es, der Hirten und Herde er-hält. Seid wach! Hoch über den Sternen dein Auge wacht, es sieht uns am Tag, im Dunkel der Nacht. Gepriesen, o Herr, der den Segen gibt, mit ewiger Treue die Seinen liebt. Seid wach! Doch wehe dem Volke, das deiner vergisst, sich gen dein Gebot mit Sünde vermisst. Einst kamen die Fluten vom Himmel herab, und Hirt und Herden versanken im Grab. Seid wach! Drum, Brüder, seid wach, es enteilet die Zeit: Die Stimme des Herrn, sie find‘ uns bereit. O segne die Weide, du Schöpfer der Welt, du bist es, der Hirten und Herde erhält. Seid wach! Du lenkest die Tage, du lenkest die Nacht, wohl dem, der zum Ende in Treuen gewacht! 3. Erscheinung des Engels (Sopran) Fürchtet euch nicht! Denn seht, Gott erhöret der Frommen Gebet. Ich kündige euch ein großes Heil, das allem Volke wird zuteil. Die Davidsstadt ist auserkoren, in ihr ward heute Nacht geboren Christus, der Herr! Alleluja! Ein Zeichen wird es euch bekunden: es liegt in Wickeln eingebunden in einer Krippe ein armes Kindlein, ein kleines, armes Kindelein. Alleluja! Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind. 4. Bethlehem (Bass) Der Lichtglanz schwindet, es schweiget der himmlische Chor. Von der Erde erheben die Hirten ihr Antlitz empor, von Ehrfurcht erfüllet, von wunderbar seligem Glück. Sie ziehen von dannen und lassen die Herde zurück. Nach Bethlehem eilend, im Herzen des Engels Wort, erreichen sie gläubig den ärmlichen Hort. Sie finden die Mutter und in der Krippe das Kind: Christus, den Herrn! 5. Die Hirten an der Krippe (Chor) Gotteskind, wir beten dich an, denn du bist Christus, Gottes Sohn, dass du verlassen den Himmels-thron, nur aus Liebe hast du‘s getan. Als wir wachten in stiller Nacht, kam ein Engel licht und schön, hat uns aus den ew‘gen Höh‘n diese Kunde des Heils gebracht. Gotteskind, Erlöser der Welt, Licht, das alles Dunkel erhellt, Trost und Balsam für Leid und Qual, sei gegrüßt viel tausendmal. Was wir gehofft, es hat sich erfüllt, zu uns stieg nieder Gottes Wort. Du nimmst den Stachel der Armut fort, heil‘ge Sehnsucht, sie wird gestillt. Welch ein Lohn wird dem Vertrau‘n, welch ein Glück wird uns zuteil, dich, das längst verheiß‘ne Heil, jetzt mit eignem Blick zu schau‘n. Gotteskind, Erlöser der Welt, Licht, das alles Dunkel erhellt, Trost und Balsam für Leid und Qual, sei gegrüßt viel tausendmal. 6. Der Stern (Chor) Zerstreuet euch, stürmende Wolken, beruhige dich, wirbelnder Sand! Durch die Wüste kommen gezogen die Weisen vom Morgenland. Und klarer als Mond und Sonne geleitet ein herrlicher Stern, der Hoffnung selige Wonne, sie zu den Gefilden des Herrn. Ist wieder die feurige Säule, ist Israels Führer zu schau‘n? Sie fragen nicht und wollen der Treue des flammenden Sternes vertrau‘n. Die Sehnsucht leiht ihnen Flügel, trägt weit von der Heimat sie fort, Jerusalems waldige Hügel, im Abendglanz liegen sie dort. Sie fragen an Zions Toren: »Wo finden wir Judas Herrn, den König, neugeboren? Wir sahen seinen Stern! Ihn anzubeten wir kommen aus fernem Morgenland, und keine Rast will uns frommen, bis unser Auge ihn fand.« Doch, – da aus der Stadt sie zogen, wo war das führende Licht? Am weiten Himmelsbogen den Stern erschauen sie nicht. Die Könige, trauerbefangen, durchreiten schweigend die Nacht und tragen ein heiß Verlangen nach des Sternes tröstender Pracht. Urplötzlich teilt sich das Dunkel; es senket sich erdenwärts, der Stern mit lichtem Gefunkel, und Freude durchströmet ihr Herz. Sie sehen ihn vor sich gehen, so glänzend wunderbar, vor Bethlehem blieb er stehen, dort, dort, wo das Kindlein war. 7. Anbetung der Weisen (Kl. Chor) O König du, im armen Stall, wir fallen auf‘s Antlitz vor dir, der Engel jubelnden Widerhall, im Herzen hören ihn wir. Nimm hin den Weihrauch, Myrrh‘n und Gold, nimm hin des Morgenlandes Gut. Wir stehen, o König, in deinem Sold, wir leben in deiner Hut. Im Weihrauch steig‘ das Gebet empor zu deinem Angesicht. Tu‘ auf deiner Gnade weites Tor, verschmähe die Bittenden nicht! Die Myrrhe deutet die Bitterkeit, dass du zu leiden kamst; doch auch, dass du die Schmerzen geweiht, von ihnen den Stachel nahmst. Wie lautres Gold sei unsre Lieb‘, so unverfälscht und rein. Was uns an Hab‘ und Schätzen blieb, all dies, o König, sei dein. 8. Maria (Sopran) Stille ist‘s im heil‘gen Raum, auch die Weisen zogen zur Heimat zurück. Alles löst sich ihnen wie ein Traum, was sie geschaut an seligem Glück. Nur ein mattes Lichtlein brennt vor dem Heiligtum der Krippe. Christi Mutter kniet davor, leise regt sich ihre Lippe, die im Kinde Gott bekennt. Aus der Seele tönt‘s empor, wundersam neu: »Magnificat!« Nur dem Kindlein flüstert sie‘s zu, dass sie alles verstanden hat, alles verschließt in schweigender Ruh‘. Christkind blickt die Mutter an tiefer als der Meeresgrund. Ein erstes Lächeln bricht sich Bahn um des Knäbleins lieblichen Mund. Sanft Maria das Händchen hält, streichelt es zärtlich und lind. Schlumm‘re süß, Erlöser der Welt. Schlumm‘re süß, du göttliches Kind. 9. Erfüllung (Chor) Die Erde schweigt! Es leuchten die Sterne, sie grüßen klar aus himmlischer Ferne. Geheimnisvoll durch Palmen es rauschet, in liebender Wacht die Erde lauschet. Ob auch verblüht die Blümlein liegen, es möchte ihr Duft die Starre besiegen. Frohlocke, Welt, dem Tod entwunden hast du in Christ das Leben gefunden. Alleluja!